Folge 58 - Märchen (Drewing, Heym, Morgenstern, Löns)
Lyrikschule - A podcast by Johannes Thiele
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Märchen im Gedicht - geht das? Ist das kein Widerspruch? Und wenn es das gibt, handelt es sich dann einfach um klassische Märchen in Versform oder gibt es noch andere Möglichkeiten, mit der Gattung Märchen zu spielen? Diese Frage soll an vier Texten verfolgt werden. Ingrid Herta Drewing Märchen Die Märchen, die wir lieben, das Leben nimmt sie fort, und alles, was geblieben, ist der Erinnerung Hort. Doch auch das stille Hoffen, es werde eines wahr. Die Pforte ist noch offen, das Kind in uns sieht's klar. Noch immer wacht es schauend, beglückt, wenn Zauber winkt, und uns, dem Guten trauend, ein Märchenschluss gelingt ________ Georg Heym Das Märchen Es brandet die Nacht um den schweigenden Wald. Sie umkost die Wiesen vom Mond betauet. Ein Raunen und Rauschen und Singen erschallt, Da hat das Märchen die Welt erschauet. Zwei Schmetterlingsflügel am Rücken So schwebt's hinaus in die finstere Welt. Es will die Menschen beglücken. Es kommet in die rauchende Stadt, Auf dem Markt herrscht geschäftig Gewimmel, Gar bald das Volk sie erblicket hat. Es treibet mit ihm seinen Spaß, Beschmutzt ihm den glänzenden Flügelstaub, Zerbricht ihm das Krönchen aus klingendem Glas. Da hat es sich tief im Walde verborgen. Du findst es beim Vollmondschein am Bach, Der Menschheit blieb die Vernunft und die Sorgen. ________ Hermann Löns Märchen Am Heidehügel geht ein Singen, Ein leises Singen her und hin, Da wiegt in einer goldenen Wiege Ihr Kind die Zwergenkönigin. Ich denke an das alte Märchen, Es liegt mein Kopf in deinem Schoß, Dein Mund singt mir ein Wiegenliedchen, Und meine Augen werden groß. Mein Herz, das ist so still und selig, Ein goldener Traum darüber fliegt, Es liegt in einer goldnen Wiege, Die langsam hin und her sich wiegt. Der Text 'Märchen' von Christian Morgenstern ist für die ShowNotes leider etwas zu lang.