Folge 45 - Das Sonett und der Sonetten-Krieg (August Wilhelm Schlegel und Goethe)

Lyrikschule - A podcast by Johannes Thiele

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In dieser Folge geht es um das Sonett an sich, die Frage nach seiner ungebrochenen Popularität und einem poetologischen Streit im 19. Jahrhundert, der zwischen Klassik und Romantik geführt wurde. Das Sonett (August Wilhelm Schlegel) Zwei Reime heiß' ich viermal kehren wieder, Und stelle sie, getheilt, in gleiche Reihen, Daß hier und dort zwei eingefaßt von zweien Im Doppelchore schweben auf und nieder. Dann schlingt des Gleichlauts Kette durch zwei Glieder Sich freier wechselnd, jegliches von dreien. In solcher Ordnung, solcher Zahl gedeihen Die zartesten und stolzesten der Lieder. Den werd' ich nie mit meinen Zeilen kränzen, Dem eitle Spielerei mein Wesen dünket, Und Eigensinn die künstlichen Gesetze. Doch, wem in mir geheimer Zauber winket, Dem leih' ich Hoheit, Füll' in engen Gränzen. Und reines Ebenmaß der Gegensätze. _______________________ Das Sonett (Goethe) Sich in erneutem Kunstgebrauch zu üben, Ist heil'ge Pflicht, die wir dir auferlegen: Du kannst dich auch, wie wir, bestimmt bewegen Nach Tritt und Schritt, wie es dir vorgeschrieben. Denn eben die Beschränkung läßt sich lieben, Wenn sich die Geister gar gewaltig regen; Und wie sie sich denn auch gebärden mögen, Das Werk zuletzt ist doch vollendet blieben. So möcht' ich selbst in künstlichen Sonetten, In sprachgewandter Maßen kühnem Stolze, Das Beste, was Gefühl mir gäbe, reimen; Nur weiß ich hier mich nicht bequem zu betten, Ich schneide sonst so gern aus ganzem Holze, Und müßte nun doch auch mitunter leimen. _______________ Natur und Kunst (Goethe) Natur und Kunst sie scheinen sich zu fliehen, Und haben sich, eh' man es denkt, gefunden; Der Widerwille ist auch mir verschwunden, Und beide scheinen gleich mich anzuziehen. Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen! Und wenn wir erst in abgemess'nen Stunden Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden, Mag frei Natur im Herzen wieder glühen. So ist's mit aller Bildung auch beschaffen: Vergebens werden ungebundne Geister Nach der Vollendung reiner Höhe streben. Wer Großes will muß sich zusammenraffen; In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

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