Episode 154: Anatomie eines Mordes (Anatomy of a Murder), 1959

Ein Filmarchiv - A podcast by Brockmann & Ecke

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Mit seiner eigenen Produktionsfirma schafft sich Otto Preminger sehr viel Freiraum innerhalb eines Hollywoods im Umbruch, schwer angeschlagen durch das TV und die Entscheidung, dass Studios keine Kinos mehr besitzen dürfen. Während seit den 30ern und erst Recht nach McCarthy die allermeisten Filme die moralischen selbstzensorischen Regeln des Hays Code einhalten, setzt sich Preminger so radikal wie bewusst über diese hinweg: In seinem Gerichtssaal wird klar über die Details von Sex und Vergewaltigung geredet. Zudem zeigt er, wie vor Gericht das Recht zumindest gebeugt wird, um einen Fall zu gewinnen. Recht wird gesprochen, aber die Gerechtigkeit muss außen vor bleiben. Auch weil alle Figuren ambivalent bleiben, vor allem der Angeklagte und seine sexuell für die Zeit sehr offene Frau. Besonders gemein für das zeitgenössische Publikum: Jimmy Stewart spielt sein eigenes Image aus; wir sehen zu Anfang den rechtschaffenen Jimmy, den Tom Hanks seiner Zeit, bevor er uns dann klar macht, dass hinter der bewussten Fassade des gutherzigen Kleinbürgers ein kalkulierender Anwalt steckt, dem Gerechtigkeit nicht wichtig ist, gewinnen dafür umso mehr. Was heute üblicher Topos im Gerichtsdrama ist, war 1959 ein riesiger Skandal; nur wenige Jahre später musste Hollywood nachgeben: der Hays-Code verschwand Anfang der 60er aus der Praxis, 1967 wurde er auch offiziell eingemottet. Wie der Film Ambivalenz nutzt, wie die Narration sich als etwas konstruiert, dem wir nie voraus sind, warum es wichtig ist, dass der Film on location gedreht wurde und warum Schauspielstile und die Darsteller selbst zentral für den Wirkungseffekt sind – das alles hat uns so beschäftigt, dass wir zum Thema Inszenierungsoptionen ausnahmsweise einfach auf unser Mise en Scène-Special verweisen.

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